Doch was macht die Arbeit in einer Senioreneinrichtung für einen gelernten Koch so interessant und was veranlasst eine junge Frau, die Ausbildung zur Köchin in einem Pflegeheim zu absolvieren? Wir haben mit Michael Wüst und seiner Auszubildenden Linet Büttner gesprochen.
Herr Wüst, Sie haben Ihre Ausbildung in einem À-la-carte-Restaurant mit wechselnder Tageskarte gemacht. Was war der Grund für Sie, in die Küche einer Senioreneinrichtung zu wechseln?
„Ich koche leidenschaftlich gerne und habe deshalb meine Ausbildung auch nie bereut. Jedoch haben mich die Arbeitszeiten im Restaurant zunehmend gestört: Schichtbetrieb, Wochenende, Feiertage. Von morgens 10 Uhr bis abends 24 Uhr – am Nachmittag ein paar Stunden frei. Auf Dauer und mit Blick auf eine Familiengründung war das keine Option für mich. Als ich dann meinen Zivildienst in der Küche der Seniorenresidenz Elisa in Aschaffenburg leistete, fand ich schnell Gefallen an der Arbeitsweise und vor allem an den Arbeitszeiten – bessere Arbeitsbedingungen bei gleichem Gehalt. Als eine Stelle frei wurde, habe ich nicht lange überlegt und mich beworben.“
Was gefällt Ihnen an der Arbeit im Seniorenheim und wie unterscheidet sie sich von der im Restaurant?
„Das Beste an meinem Beruf ist die Arbeit selbst. Ich koche gerne und habe tolle Mitarbeiter:innen. Ich gehe jeden Tag gerne zur Arbeit. Die Arbeitszeiten sind wunderbar familienfreundlich. Täglich von 6:00 Uhr bis 14:30 Uhr, danach ist Feierabend. Im Gegensatz zum Restaurant ist der Arbeitsanfall in der Senioreneinrichtung absolut planbar. Da Speisepläne drei bis vier Wochen im Vorfeld geschrieben werden, weiß ich genau, was einzukaufen ist und wieviel Zeit oder Personal ich dafür benötige.
Qualitativ unterscheidet sich das Essen in Seniorenheimen nicht von dem im Restaurant. Denn auch wir kochen frisch und machen sehr viel selbst. Unsere 120 Bewohner:innen verwöhnen wir täglich mit frisch gebackenen Kuchen.“
Im letzten Jahr haben Sie Ihren Ausbilderschein gemacht und können nun auch Lehrlinge ausbilden. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?
„Kochen ist meine Leidenschaft, mein Wissen mit anderen zu teilen, macht mir Spaß. Ich möchte mehr Menschen für den Beruf begeistern und die schönen Seiten des Berufes aufzeigen. In die Ausbildung investiere ich viel Herzblut und bin stolz auf den Erfolg. Dabei ist es wichtig, die Motivation der Auszubildenden zu erhalten. Deshalb versuche ich, den Arbeitsalltag abwechslungsreich zu gestalten.“
Die positiven Aspekte Ihres Berufes haben Sie uns eben aufgezeigt. Was sind die negativen Seiten, was wäre Ihrer Meinung nach noch verbesserungswürdig?
„Wie auch der Pflegeberuf kämpfen wir Köche mit mangelnder Anerkennung unserer Leistungen. Frei nach dem Motto: Kochen kann doch jeder. Welch fundierte Ausbildung dahinter steckt, für so viele Personen abwechslungsreich und gleichzeitig nahrhaft zu kochen, ist vielen gar nicht bewusst. Dazu noch Diätküche oder die ernährungsmedizinische Diätküche.“
Frau Büttner, wie kamen Sie dazu, die Ausbildung in einem Seniorenheim der eines Restaurants vorzuziehen: Hatten Sie keine Bedenken, hier weniger zu lernen?
„Doch, diese Überlegung hatte ich kurz angestellt, aber sehr schnell wieder verworfen. Ich arbeitete ja schon seit 2015 als Küchenhilfe in der Einrichtung und wusste deshalb genau, was mich erwartet. Die Ausbildung ist meines Erachtens noch intensiver als in einem Restaurant. Vor allem vor dem Corona-Hintergrund. Die Restaurants haben gerade alle geschlossen. Die anderen Auszubildenden haben deshalb nur theoretischen Online-Unterricht und keine Möglichkeit, dieses Wissen in die Praxis umzusetzen. Bei mir ist das anders.“
Warum haben Sie sich erst jetzt zu einer Ausbildung entschlossen?
„Ich habe zwei Kinder, mein Mann arbeitet ebenfalls. Solange die Kinder klein waren, hatte sich die Tätigkeit als Küchenhilfe angeboten, da die Arbeitszeiten für mich ideal waren. Ich habe dann ein Jahr lang überlegt, ob ich die Ausbildung beginnen kann, und diese Zeit genutzt, meine Kinder zur mehr Selbstständigkeit zu erziehen. Nun sind sie 9 und 11 Jahre und es klappt sehr gut. Ich wohne nicht weit von meiner Arbeitsstelle entfernt. Meine Kinder kommen ab und an vorbei und besuchen uns oder holen mich von der Arbeit ab.“
An welchen Arbeitsmoment erinnern Sie sich gerne?
„Ich habe neun Mitarbeiter:innen, mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund. Das brachte mich auf die Idee, auf deren Expertise zurückzugreifen. In einer Woche haben wir die Lieblingsgerichte unserer Mitarbeiter:innen aus ihrer Heimat gekocht. So gab es über die Woche verteilt Speisen aus Syrien, dem Libanon, aus Kenia, Tschechien, Russland, Irak und Deutschland. Der Organisations- und Arbeitsaufwand hat sich gelohnt. Die Mitarbeiter:innen haben sich sehr darüber gefreut und auch bei den Bewohner:innen kam die Aktion sehr gut an.“
Frau Büttner, was sind Ihre Ziele nach der Ausbildung?
„Ich würde nach meiner Ausbildung gerne in der Einrichtung bleiben. Mein Beruf macht Spaß und auch mit meinen Kolleg:innen verstehe ich mich sehr gut.“