Wer das Haus Phönix Graf Tilly in Ingolstadt betritt, bemerkt sofort die angenehme und warme Atmosphäre. Kein hektisches Treiben, kein lautes Miteinander auf den Gängen – im Gegenteil: Ein leiser, sanfter Gesang summt angenehm aus dem Nebenzimmer. Angekommen im Büro von Einrichtungsleitung Christine Avram, wartet die nächste Überraschung: Am Schreibtisch sitzt eine junge Frau mit perfekt gestylten blonden Haaren, einem hellen Blazer mit passender Bluse, einer leichten Stoffhose kombiniert mit zarten Riemchenschuhen. „Fast alle, die mich zum ersten Mal treffen, sind überrascht, weil ich für meine Position noch recht jung bin“, erzählt die 31-jährige Einrichtungsleiterin. Während in der Pflegebranche fast überall händeringend nach Personal gesucht wird, erstaunt die bayerische Einrichtung mit ihrer hohen Fachkraftquote. 41 Pflegefachkräfte sind hier beschäftigt – 36 davon kommen aus dem Ausland, meist aus Osteuropa. Junge Menschen, die in ihrer Heimat keine ausreichenden beruflichen Perspektive sehen.
Empfehlungen sind am besten
Mithilfe von Partnern aus dem Ausland aber auch aufgrund von Empfehlungen der bereits angestellten Mitarbeiter kommt das Haus zu neuen und qualifizierten Mitarbeitern. „Natürlich werden viele der ausländischen Fachkräfte auch durch klassische Stellenanzeigen auf uns aufmerksam“, erzählt Christine Avram. „Trotzdem profitieren wir am meisten von Empfehlungen und von Mund-zu-Mund-Propaganda.“ Die Anstellung von Pflegekräften bedeutet für die Einrichtung keinen unerheblichen Aufwand. „Dahinter steckt eine Menge an Arbeit. Zunächst müssen Behördengänge erledigt werden – hierbei unterstützen wir natürlich und stellen bei Bedarf einen Dolmetscher zur Verfügung“, erklärt Christine Avram. Als besonderer Service ist die Bereitstellung einer Unterkunft im Einstellungsprozess inbegriffen. Die Einrichtung mietet Wohnungen an, die von den „Neuen“ als Wohngemeinschaft genutzt werden können. Und dann natürlich die Sprache. Für viele stellt sie die größte Hürde dar, wie die Mitarbeiterinnen Jasmin Dzaferovic und Furnica Simona aus eigener Erfahrung berichten. Einmal in der Woche findet deshalb in der Einrichtung ein Deutschkurs statt.
„Das Thema Mitarbeiter wird bei uns großgeschrieben“, meint Christine Avram. Deshalb achtet sie nicht nur darauf, ihre Mitarbeiter regelmäßig durch Schulungen zu fördern. Es gehe auch darum, das tägliche Engagement angemessen wertzuschätzen, sagt sie: „Lob ist mir sehr wichtig. Ich weiß, wie es den Mitarbeitern geht.“ Kein leeres Versprechen, denn Christine Avram kommt selbst aus der Pflegebranche. „Das Miteinander in der Einrichtung muss stimmen, dann wird es auch einfacher, neues Personal zu gewinnen“, weiß sie. Regelmäßig finden Team-Veranstaltungen wie beispielsweise Lasertag-Spiele oder gemeinsame Abendessen statt. Obwohl es im Haus Phönix Graf Tilly kaum Personalprobleme gibt, wird das Thema Recruiting im Arbeitsalltag nicht vernachlässigt. „Der Beruf besitzt leider immer noch ein falsches Image in der Öffentlichkeit“, so die junge Einrichtungsleitung. „Wir müssen noch viel mehr die schönen und positiven Dinge kommunizieren. Zum Beispiel die viele Freude, die wir von den Bewohnern zurückbekommen.“ Diese Aspekte müssten stärker in den Vordergrund gestellt werden. Nur so könne man das schlechte Bild, das aktuell in der Öffentlichkeit vorherrscht, revidieren.
Bewohner sind angetan
Die Bewohner jedenfalls sind von den ausländischen Fachkräften angetan – auch wenn es hin und wieder kleine Startschwierigkeiten gab. Und umgedreht auch: Furnica Simona zum Beispiel, die seit zwei Jahren in der Einrichtung arbeitet, schätzt das gute Verhältnis zu den Bewohnern. In die Einarbeitung neuer Mitarbeiter muss man immer erst einmal investieren – Zeit und Geld. Bei ausländischen Fachkräften naturgemäß ein wenig mehr. Das wirke sich aber unmittelbar auf die Zufriedenheit aller Beteiligten aus, weiß Christine Avram aus eigener Erfahrung. „Eine ausländische Fachkraft mit einer deutschen Pflegekraft gleichzustellen, wäre aber ein Fehler“, erklärt sie. Man müsse immer auch versuchen, sich in deren Lage hineinzuversetzen. In Ingolstadt funktioniert dieses Prinzip bisher sehr erfolgreich. Irgendwann ganz in ihre Heimat zurückzukehren, planen die meisten Mitarbeiter im Moment zumindest nicht.
Pflegehilfskraft Adnan Samardzic kümmert sich um eine Bewohnerin.